„Am 18. Juli 1774 verließ Goethe aus seiner Lahnfahrt das Schiff, um mit Lavater und Basedow hier das Mittagsmahl einzunehmen.“
Eine Aufschrift am historischen Wirtshaus an der Lahn erinnert an einen prominenten Gast, der vor 250 Jahren in Niederlahnstein abstieg.
Der damals 24-jährige Advokat und Dichter Johann Wolfgang von Goethe hatte zu diesem Zeitpunkt gerade erste Anerkennung in der Weltliteratur mit dem Drama „Götz von Berlichingen“ und mit dem Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ erzielt. Zwei Tage zuvor traf er in Bad Ems auf die beiden Männer, die damals im Mittelpunkt des Interesses vieler Deutscher standen: der evangelisch-reformierte Theologe Johann Caspar Lavater (1741-1801), der in Zürich als Diakon wirkte und sich die Neuerweckung religiösen Lebens zum Ziel gesetzt hatte, und Johann Bernhard Basedow, ein leidenschaftlicher Rationalist und Pädagoge (1724-1790). Von Ems fuhren sie die Lahn herunter, um Freunde am Rhein zu besuchen.
Im Anblick der Ruine der 1689 zerstörten Burg Lahneck schrieb Goethe das Gedicht „Geistesgruß“:
Hoch auf dem alten Turme steht / Des Helden edler Geist,
Der, wie das Schiff vorübergeht, / Es wohl zu fahren weiß.
Sieh, diese Senne war so stark, / Dies Herz so fest und wild,
Die Knochen voller Rittermark, / Der Becher angefüllt;
Mein halbes Leben stürmt ich fort. / Verdehnt die Hälft' in Ruh,
Und Du, Du Menschen-SchiffIein dort, / Fahr' immer, immer zu.
In Niederlahnstein gingen die Drei von Bord, um einzukehren. Wörtlich schrieb Goethe: „Jetzt fahren wir an Lahnstein vorbei, zur Rechten liegt der Flecken. Ich stieg aus. Basedow vor uns in ein Haus, wo man zu Mittag aß, […] Bohnen mit Speck. Alle ihm nach, Gewirr und Leben und Freude […]“
Auch wenn das Gebäude explizit nicht genannt wird, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass es sich um das 1697 erbaute „Wirtshaus an der Lahn“ handelt. Vor dem angrenzenden, 1348 erbauten kurfürstlichen Zollturm lag ein kleiner Hafen, eine Schiffsanlegestelle. Die kurtrierischen Soldaten erhoben hier den Lahnzoll und träumten von der Wirtin im Gasthof nebenan. So soll hier das berühmt-berüchtigte Lied von der „Wirtin von der Lahn“ entstanden sein, von dem heute rund 1.000 Strophen bekannt sind. Folgende nicht ganz jugendfreie Strophe soll Goethe hinzugedichtet haben: „Die Wirtin hatte auch ein Kind. Das hatte einen krummen Pint. Man wollt‘ ihn biegen gerade. Doch als er gerade gerade war, da brach er ab – was schade war.“
Der Besuch Goethes ist der erste Hinweis auf das Bestehen einer Gastwirtschaft in dem 1697 erbauten Haus. Im Jahr 1949 wurde zum 200. Geburtstag Goethes eine Gedenktafel, gestiftet vom Verkehrsverein Niederlahnstein, neben dem Haupteingang enthüllt. In einer Feierstunde sprachen Bürgermeister Dr. Albrecht und Historiker Dr. Fritz Michel umrahmt von Liedern und Gedichtvorträgen der Lahnsteiner Schulen, des MGV und Musikvereins.