Zeitzeugen berichteten von den Luftangriffen auf Lahnstein im Zweiten Weltkrieg

Anlässlich des 80. Jahrestags der Bombardierung findet in der Hospitalkapelle in Oberlahnstein die Ausstellung des Stadtarchivs „Bomben auf Lahnstein. Auswirkungen des Luftkriegs vor 80 Jahren statt.“ Sie ist noch bis 24. November täglich ab 13.30 Uhr geöffnet.

„Diese Ausstellung hält uns vor Augen, dass Frieden nicht selbstverständlich ist. Es ist eine Mahnung, dass die Lehren der Vergangenheit niemals in Vergessenheit geraten dürfen“, betonte Oberbürgermeister Lennart Siefert in seiner Ansprache anlässlich der Ausstellungseröffnung am 12. November.“ Die Schrecken des Krieges und die Geschichten vom Wiederaufbau sollen eine Mahnung für die heutige und kommende Generationen sein. Besonders in Zeiten, in denen Populismus und Nationalismus erstarken, sei es entscheidend, den Wert von Frieden und Demokratie zu verteidigen.“

Ebenso wie anschließend Rhein-Lahn-Nixe Sarah I. bedankte der Oberbürgermeister sich bei den drei Zeitzeugen Werner Valler, Friedrich Felgenheier und Rudi Kring sowie Stadtarchivar Bernd Geil, der die Ausstellung organisierte und nachfolgend den Vortrag „Luftkrieg und Kriegsende in Lahnstein“ hielt.

Zeitzeugenberichte

Friedrich Felgenheier schilderte seine Erlebnisse während der Großangriffe auf Lahnstein.

Beeindruckend, ergreifend und auch beklemmend waren die sich anschließenden Berichte der drei Zeitzeugen.

Den Anfang machte der 94-jährige ehemalige Rektor der Schillerschule, Werner Valler. Im Jahr 1944 war er 14 Jahre alt und wurde wie mehrere Schüler der achten Klasse des Gymnasiums am Schillerpark für einige Wochen zum Arbeitseinsatz an den Westwall abkommandiert. Als er nach Ende November nach Lahnstein zurückkehren durfte, war zwar sein Elternhaus noch unbeschädigt, aber die Stadt voller Trümmer. Fünf seiner Schulfreunde waren gestorben, auch Teile des Gymnasiums erdbodengleich. Valler berichtete von weiteren Luftangriffen, die er in Lahnstein ertragen musste und von einer gefährlichen Bootsüberfahrt, die er trotz der Gefahr von Artilleriefeuer vor Kriegsende über den Rhein nach Rhens machte, um eine wichtige Nachricht zu überbringen. „All das, was hier passiert ist, passiert auch gegenwärtig wieder. Mir läuft es kalt den Rücken herunter, wenn ich sehe, wie in der Ukraine Mütter mit ihren Kindern in die U-Bahn-Schächte fliehen oder der Gazastreifen bombardiert wird. Die Angst bleibt unvergessen.“

Der damals sechsjährige Rudi Kring überlebte die Luftangriffe 1944 im Keller seines Elternhaues in der Gymnasialstraße. „Als wir wieder herauskamen, lebten wir in einer veränderten Stadt. Tote und Verletzte lagen auf den Straßen und jede Menge Trümmer und Schutt versperrten die Wege“, schilderte er die fürchterlichen Zustände in Lahnstein.

Als dritter Zeitzeuge trat Friedrich Felgenheier ans Mikrofon und berichtete von Maßnahmen des Luftschutzes und dem Bau von Splittergräben. Ein halbes Jahr jünger als Werner Valler, wurde sein Schuljahrgang nicht mehr zum Bau des Westwalls verpflichtet. Den 11. November erlebte Felgenheier im Gymnasium Oberlahnstein, von wo er nach dem Voralarm rechtzeitig zum Elternhaus in die Emser Landstraße lief und den Bunker des Arnsteiner Hofs aufsuchen konnte. Auch den zweiten Weihnachtstag 1944 verbrachte er dort und hatte wie seine Nachbarschaft großes Glück. Anders die 160 Opfer am Niederlahnsteiner Bahnhof. „Die Tragödie am Bahnhof Niederlahnstein werde ich niemals vergessen. Ich habe die aufgereihten Toten selbst gesehen“, erzählte er.

Ausstellung

Oberbürgermeister Lennart Siefert bei seiner Ansprache zur Ausstellungseröffnung  (Fotos: Eva Dreiser / Stadtverwaltung Lahnstein)

Die Ausstellung beginnt thematisch am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Dem Kriegsverlauf weltweit werden die kriegsbedingten Ereignisse in Lahnstein gegenübergestellt, darunter auch der Absturz einer deutschen Messerschmidt, an deren Folgen der Pilot starb und in Oberlahnstein bestattet ist. Auch Wrackteile einer britischen Lancaster, die im August 1942 abgeschossen wurde, sind ausgestellt.

Zudem werden Unterlagen aus dem Nationalarchiv in Washington gezeigt, die die Einsatzbefehle für vier der insgesamt 13 Luftangriffe auf Lahnstein und die anschließende Auswertung zusammen mit großformatigen Luftbildern dokumentieren.

Über 50 ausgestellte Zeitzeugenberichte handeln von den Angriffen auf Nieder- und Oberlahnstein einschließlich Friedrichssegen sowie dem Einmarsch der Amerikaner im März 1945.

Ferner sind die Propaganda der Nationalsozialisten und die Flugblätter der Alliierten, die über Lahnstein abgeworfen wurden, exemplarisch ausgestellt.

Eine weitere Tafel dokumentiert den Luftschutz. Mangels genügend Luftschutzräumen wurden an mehreren Plätzen Deckungsgräben gegraben und betoniert. Auch die Tragödie vor einem Stollenbunker in Niederlahnstein wird behandelt, als durch Granateneinschlag einen Tag vor Kriegsende zwei Erwachsene und sechs Kinder umkamen.

Das SWR-Fernsehen hat einen Beitrag zur Ausstellung gedreht, in dem auch die beiden Zeitzeugen Werner Valler (links, 94 Jahre) und Rudolf Kring (Mitte, 86 Jahre) – hier mit SWR-Redakteurin Heike Löser – ihre Erlebnisse schildern.

In der Ausstellung sind viele Fotografien zerstörter oder kriegsbeschädigter Gebäude zu sehen, die trotz Fotografierverbot im Krieg oder später vor dem Wiederaufbau entstanden. Besonders wird den Toten gedacht, sowohl den rund 500 Soldaten, die in Lahnstein oder im Felde fielen oder vermisst blieben sowie den 322 Zivilisten, die auf Lahnsteiner Gemarkung starben. Dabei konnte das Stadtarchiv auf zahlreiche Stiftungen von Lahnsteiner Bürgern zurückgreifen, die mit Fotomaterial, Wehrpässen und anderen Unterlagen das Schicksal ihrer Angehörigen für Dokumentationszwecke zur Verfügung gestellt haben.

Weitere Themen sind Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, Regimegegner, politisch oder religiös Verfolgte, auch die Deportierung und Ermordung der jüdischen Mitbürger. Von der Jüdin Hille Emmel, die das letzte Kriegsjahr im KZ Ravensbrück verbringen musste, sind ein Ärmel ihrer Sträflingskleidung und ihr Tagebuch ausgestellt. Darin schildert sie, getarnt zwischen Kochrezepten, ihre abenteuerliche Flucht zurück nach Lahnstein.

Die Ausstellung in der Hospitalkapelle ist noch bis 24. November geöffnet. (Fotos: Bernd Geil / Stadtverwaltung Lahnstein)

Der letzte Schwerpunkt der Ausstellung ist den Bodenkämpfen im März 1945 bis zum Einmarsch der Amerikaner gewidmet. Nachdem die Wehrmacht die Lahnbrücken gesprengt hatte und die letzten deutschen Soldaten geflüchtet waren, retteten drei Bürger durch ihre Überfahrt nach Stolzenfels die Stadt vor weiterem Blutvergießen.

Öffnungszeiten, Führungen für Schulklassen

Die Ausstellung ist täglich ab 13.30 Uhr geöffnet, donnerstags bis 20.00 Uhr, sonntags bis 18.00 Uhr und an allen anderen Tagen bis 17.00 Uhr. Zusätzlich findet am Sonntag, 24. November um 14.00 Uhr die letzte Themen-Stadtführung „Auf den Spuren des Zweiten Weltkriegs durch Lahnstein“ statt, die vor der Hospitalkapelle startet. Der Eintritt in die Ausstellung ist kostenfrei. Die Stadtführung kostet 5 Euro für Erwachsene, Kinder frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Führungen für Schulklassen können direkt im Stadtarchiv vereinbart werden unter b.geil@lahnstein.de oder 02621 914296.