Geschichte des Mahnmals zum Gedenken an die jüdischen Opfer der NS-Zeit in Friedrichssegen

In der Erzbachstraße erinnert seit 1996 das Mahnmal zum Gedenken an die jüdischen Opfer der NS-Zeit aus der Region. Den Stein ins Rollen gebracht hatte damals eine siebenköpfige Schülergruppe der Realschule Lahnstein unter Leitung ihrer Lehrerin Ruth Mayer-Schnell, ständig unterstützt von ihrem Kollegen Elmar Ries. Vier Jahre dauerte der Einsatz der Gruppe, bis es zur Verwirklichung des Mahnmals kam.

Angeregt durch einen Bußgang, der am 50. Jahrestag im August 1992 der Deportation der jüdischen Zwangsarbeiter von der Kolpingfamilie St. Martin, den katholischen und evangelischen Pfarrgemeinden, der jüdischen Kultusgemeinde Koblenz und der christlich-jüdischen Gesellschaft für Brüderlichkeit vom Bahnhof Friedrichssegen bis zum jüdischen Friedhof am Ahlerweg veranstaltet wurde, setzten sich die Schüler intensiv mit dem Thema auseinander, befragten Zeitzeugen und nahmen Kontakt zur jüdischen Gemeinde, zum Arbeitskreis Grube Friedrichssegen und zu den Parteien auf. Sie suchten und fanden auf allen Ebenen Unterstützung für ihr Vorhaben, das schließlich im damaligen Ausschuss für Fremdenverkehr, Heimatpflege und Kultur beraten und beschlossen wurde. Auch an der Umsetzung und Standortfrage hatten sich die Jugendlichen rege beteiligt und dafür eifrig Spenden gesammelt.

Das Mahnmal besteht aus drei Sandsteinsäulen aus der Werkstatt des Lahnsteiner Steinbildhauers Norbert Rösner. Die linke und rechte Säule nennt die Namen von 51 bekannten Opfern aus dem gesamten Mittelrheingebiet: der damaligen Landkreise Rheingau, St. Goarshausen, Unterlahn, Limburg und Unterwesterwald. Unter den Opfern befinden sich auch acht jüdische Mitbürger aus Lahnstein.

Mahnmal zum Gedenken an die jüdischen Opfer (Fotos: Bernd Geil / Stadtverwaltung Lahnstein)

Auf der mittleren Säule ist zu lesen: „Den Opfern zum Gedenken, den Lebenden zur steten Mahnung“ sowie der Bibelvers aus dem gemeinsamen Alten Testament (Jeremias 8,23): „Ungestillt rinnt die Träne um die Erschlagenen meines Volkes“.

Insgesamt wurden mehr als 51 Männer, Frauen und Kinder im August 1941 gezwungen, in die ehemalige Arbeitersiedlung „Tagschacht“ in Lahnstein-Friedrichssegen zu ziehen. Der abgelegene und vor fremden Blicken geschützte Ort eignete sich – nach Ansicht der örtlichen Behörden – für eine zentrale Sammlung und Kasernierung der Juden sowie für ihren „geschlossenen Arbeitseinsatz“ vor der Deportation. Sie mussten dort unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und Zwangsarbeit verrichten, die Männer in einem Eisenlager und Verschrottungsbetrieb (vorher Emil Baers Firma), die Frauen in einem Ton- und Dachziegelwerk. Nach einem Jahr wurden sie in zwei Schüben über Frankfurt in die Konzentrationslager im Osten deportiert. Dem Großtransport von Juden aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden am 10.06.1942 nach Theresienstadt gehörten auch vier Lahnsteiner Juden an. Sie wurden in Sobibor ermordet. Die anderen Lahnsteiner Juden folgten am 28.08.1942 über Theresienstadt nach Treblinka oder Auschwitz.

Der 1876 in Oberlahnstein geborene Emil Baer war langjähriger Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Oberlahnstein und schon am 26.08.1941 in das KZ Sachsenhausen verschleppt worden, wo er am 15.10.1941 unter bis heute ungeklärten Umständen verstarb.

Die 1885 in Oberlahnstein geborene Klara Laeger, geb. Löwenstein, wurde im Herbst 1941 nach Köln gebracht, wo sie am 25.11.1941 angeblich an Kreislaufschwäche verstarb.

Die einzige Überlebende war Hilde Emmel (1906 - 1996) aus Niederlahnstein. Sie kehrte im September 1945 aus dem Frauenlager des KZ Ravensbrück nach Lahnstein zurück. Kurz vor ihrem Tod hatte sie die Schülergruppe noch kennengelernt und ihnen von der grausamen Zeit berichtet. Die Einweihung des Mahnmals hat sie leider nicht mehr erleben können. Ihr Tagebuch und ein Teil ihrer Sträflingskleidung sind noch bis 24. November 2024 in der Ausstellung des Stadtarchivs zum Zweiten Weltkrieg in der Hospitalkapelle zu sehen.