Schulspeisung in Lahnstein vor 75 Jahren

Vor 75 Jahren, im Mai 1949, trat das Grundgesetz in Kraft. Für weite Teile der Bevölkerung, die sich nach Frieden und Freiheit gesehnt hatten, standen nun eher die Alltagssorgen im Vordergrund – ein Dach überm Kopf, etwas zum Heizen und zum Essen. So findet die Einführung des Grundgesetzes weder Erwähnung in den Stadtratsprotokollen von Ober- und Niederlahnstein noch in den Schulchroniken, die damals in allen Schulen verpflichtend geführt wurden.

Berichtet wird vom Beginn der Hoover-Schulkinderspeisung am 9. Mai 1949, benannt nach dem ehemaligen US-Präsidenten Herbert C. Hoover (1929 - 1933). Damit versuchten die Alliierten den Hunger und die Unterernährung der Kinder zu mildern. Die Schulspeisung sollte täglich von Montag bis Freitag eine warme Mahlzeit für jedes Schulkind gewährleisten. Dies konnten Milchspeisen oder regional geprägte Eintöpfe sein.

Bereits von Mai 1946 bis Juli 1947 gab es in Oberlahnstein eine Schulspeisung, an der nur etwa die Hälfte der Schulkinder teilnehmen durften. Die Auswahl dazu hatte das Gesundheitsamt getroffen, der Caritasverband das Kochen übernommen.

Bei der Hoover-Speisung nahmen wesentlich mehr Schülerinnen und Schüler teil, in Oberlahnstein 593 Kinder der Jungenvolksschule und 564 der Mädchenvolksschule. Ausgeschlossen waren nur Selbstversorger und Lehrkräfte. Schulleiterin Sophie Schlaadt schrieb in der Chronik: „Die Gerichte sind abwechslungsreich und wohlschmeckend. Sie werden von den Kindern gerne gegessen.“

In Friedrichssegen nahmen anfangs alle Kinder an der Speisung teil, „da im ganzen Ort kein Selbstversorger war.“ Die Speisen wurden in Oberlahnstein zubereitet und in Essensträgern mit der Bahn angeliefert und von der Schuldienerin am Bahnhof abgeholt. In der Schulchronik Friedrichsegen ist zu lesen: „Es handelt sich um hochwertige Lebensmittel wie Milchreis mit Rosinen, Nudeln oder Erbsen mit Fleisch, Kakao mit Brötchen oder Schokolade.“ Solange alle Kinder an der Speisung teilnahmen, wurde ein Unkostenbeitrag von 10 Pfennig je Kind erhoben, außer von Kindern, deren Eltern Renten- oder Unterstützungsempfänger bzw. erwerbslos waren oder deren Väter im Krieg gefallen bzw. als vermisst galten. Nach der Beschränkung der Essensausgabe auf die bedürftigen Kinder wurde von der Erhebung des Beitrags ganz abgesehen.

Der Leiter der Jungenvolksschule Oberlahnstein Rektor Joseph Bodmann äußerte sich rückblickend sehr lobend über die Schulspeisung: „Da der Ernährungszustand sich bedeutend gebessert hat, nahm auch die Aufgeschlossenheit der Kinder zu. Das Interesse an der Schularbeit wuchs. Die geistige Konzentrationskraft steigerte sich. Weil die ehemals dringend notwendigen Fahrten aufs Land zur Beschaffung von Nahrungsmitteln nicht mehr nötig sind, werden auch die im Hause anzufertigenden Schulaufgaben regelmäßiger und ordentlicher ausgeführt“. Und mit Blick auf die ideologische Einstellung der Schüler schrieb Bodmann: „Nur in der Oberklasse ist wachsendes Interesse an demokratischem Gedankengut festzustellen.“

Im Januar 1950 beriet der Stadtrat Oberlahnstein aufgrund einer Anfrage der Finanzkommission über die Einstellung der Schulspeisung, da sich die Ernährungslage entscheidend verbessert habe. Alle Schulleiter sprachen sich jedoch für die Beibehaltung der Schulspeisung aus, sodass sie für Bedürftige noch einige Monate fortgeführt und aus dem städtischen Etat mit monatlich 500 DM bezuschusst wurde.

Eine andere Form von alliierter Unterstützung waren die Hilfspakete, die von amerikanischen Familien durch die Hilfsorganisation CARE von 1946 bis Ende der 1950er Jahre direkt an deutsche Familien verschickt wurden. Sie enthielten nicht nur Nahrung, sondern oft auch Kleidung, Werk- und Nähzeug. Auch in einigen Schulklassen kamen Hilfspakete mit Schulmaterial an.

Schuljahrgang 1938/39 Oberlahnstein mit Lehrer Erich Backes, um 1949 (Foto: Sammlung Stadtarchiv Lahnstein)